Kleiner Stich, schwere Folgen: Das Risiko der Nadelstichverletzungen

Pfle­ge­kräf­te zäh­len zur Berufs­grup­pe mit den häu­figs­ten Schnitt- und Stich­ver­let­zun­gen. Dabei kann es zur Infek­ti­on mit gefähr­li­chen Krank­heits­er­re­gern wie Hepa­ti­tis-B-/C‑­Vi­ren oder HIV kommen.

Etwa 50.000 Nadel­stich­ver­let­zun­gen wer­den jähr­lich an die Berufs­ge­nos­sen­schaft für Gesund­heits­dienst und Wohl­fahrts­pfle­ge (BGW) gemel­det, zuzüg­lich einer anzu­neh­men­den Dun­kel­zif­fer nicht gemel­de­ter Stich­ver­let­zun­gen. Dar­un­ter ver­steht sich jede Ver­let­zung der Haut, die durch schnei­den­de oder ste­chen­de Instru­men­te, wie etwa Nadeln, Lan­zet­ten, Kanü­len oder Skal­pel­le, ver­ur­sacht werden. 

Albert Nien­haus, Pro­fes­sor für Arbeits­me­di­zin und For­schungs­be­auf­trag­ter der Berufs­ge­nos­sen­schaft für Gesund­heits­dienst und Wohl­fahrts­pfle­ge (BGW).

Das Infek­ti­ons­ri­si­ko mit gefähr­li­chen Krank­heits­er­re­gern infol­ge von Nadel­stich­ver­let­zun­gen ist dabei nicht zu unter­schät­zen. Denn der Umgang mit der­ar­ti­gen Instru­men­ten gehört im Gesund­heits­we­sen sozu­sa­gen zum „täg­lich Brot“. Ernst zu neh­men­de Erkran­kun­gen wie Hepa­ti­tis B oder C sowie AIDS kön­nen die Fol­ge sein. Betrof­fen sind nicht nur Pfle­ge­kräf­te, son­dern natür­lich auch Ärz­te sowie ande­re Per­so­nen­grup­pen, die mit den Instru­men­ten in Berüh­rung kom­men kön­nen, wie etwa Rei­ni­gungs­kräf­te in Gesundheitseinrichtungen. 

Auf die nicht zu unter­schät­zen­de Gefahr von Nadel­stich­ver­let­zun­gen hat die BGW im Rah­men des Sym­po­si­ums „Risi­ko Stich­ver­let­zung! Gesund­heits­ge­fahr für die Beschäf­tig­ten – Haf­tungs­ri­si­ko für die Arbeit­ge­ber“ auf dem ver­gan­ge­nen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Wund­Con­gress (IWC) in Köln auf­merk­sam gemacht.

Tätig­kei­ten mit erhöh­tem Infek­ti­ons­ri­si­ko sind bei­spiels­wei­se die Blut­ent­nah­me oder das Legen von Gefäß­zu­gän­gen. Aber auch bei der Ent­sor­gung ist Vor­sicht gebo­ten, wenn sie nicht fach­ge­recht erfolgt. Oft­mals wer­den Pro­duk­te ver­wen­det, die nach dem Gebrauch nicht gesi­chert wer­den kön­nen, dabei gibt es mitt­ler­wei­le durch­aus Metho­den und Sicher­heits­ge­rä­te, um eine gefähr­dungs­freie Ent­sor­gung der spit­zen und schar­fen Instru­men­te zu gewähr­leis­ten. Stich­ge­fahr besteht aber auch, wenn die Instru­men­te nicht im geeig­ne­ten Abfall­be­häl­ter ent­sorgt wer­den oder wenn sie nach Gebrauch wie­der auf die Schutz­kap­pe zurück­ge­steckt wer­den (Recap­ping).

„Nichts tun“ mit schwerwiegenden Konsequenzen

Die Pflicht, Maß­nah­men zu ergrei­fen, damit das Risi­ko einer Nadel­stich­ver­let­zung so gering wie mög­lich gehal­ten wird, liegt beim Arbeit­ge­ber. Die Blut­ab­nah­me bei­spiels­wei­se muss ohne Hek­tik und Zeit­druck erfol­gen kön­nen. Zudem muss eine Ein­wei­sung in den Umgang mit siche­ren Instru­men­ten erfol­gen. Dar­über hin­aus muss gemäß § 5 Arbeits­schutz­ge­setz eine Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung gemacht wer­den, um die erfor­der­li­chen Sicher­heits­maß­nah­men ermit­teln zu kön­nen. In jedem Fall muss ein „Nichts tun“ sei­tens der Arbeit­ge­ber ver­mie­den wer­den, so die Exper­ten der BGW. Kommt es zu einer Nadel­stich­ver­let­zung, die dann womög­lich bil­li­gend in Kauf genom­men wur­de, kann dies näm­lich schwe­re haf­tungs­recht­li­che Kon­se­quen­zen mit sich ziehen.

Prof. Nie­haus erläu­tert die arbeits­me­di­zi­ni­schen Aspekte.

Wel­che Fol­gen Nach­läs­sig­keit bei der Prä­ven­ti­on von Nadel­stich­ver­let­zung nach sich zie­hen kann, zeigt ein Urteil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg aus dem Jahr 2017 (Az.: 7 Sa 231/16): Eine Aus­zu­bil­den­de stach sich in einer ärzt­li­chen Pra­xis als sie nach der Blut­ent­nah­me bei einem mit Hepa­ti­tis C infi­zier­ten Pati­en­ten die Nadel mit einem Recap­ping-Gefäß ver­schlie­ßen woll­te. Zuvor hat­te sie dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie bis­lang nur mit Sicher­heits­ka­nü­len gear­bei­tet hat­te. Neben der HCV-Infek­ti­on durch den Stich, kam es zu wei­te­ren gesund­heit­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen der Betrof­fe­nen. Der Arbeit­ge­ber hat­te unter ande­rem die arbeits­recht­li­chen Schutz­vor­schrif­ten miss­ach­tet. Der Klä­ge­rin wur­de ein Schmer­zens­geld in Höhe von 150.000 Euro zugesprochen.

Gene­rell sei die Sen­si­bi­li­tät für das The­ma Nadel­stich­ver­let­zung aber gestie­gen, erklär­ten die Exper­ten von der BGW. Dies zei­ge sich an der erhöh­ten Mel­de­zahl sol­cher Ver­let­zun­gen, die die BGW in der Ver­gan­gen­heit ver­zeich­net hat.